Die geistliche Pandemie ist ausgebrochen!

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Patrick

Die geistliche Pandemie ist ausgebrochen!

Beitrag von Patrick » Mo Apr 06, 2020 10:00 am

Die „Zeichen am Himmel“ greifen mir geradezu unheimlich ans Herz. Vor einem Jahr, in der Osterwoche 2019 ging eines der bedeutendsten Heiligtümer der Christenheit in Flammen auf, die Notre-Dame in Paris.
2020, also exakt ein Jahr später, wiederum in der Osterwoche legt ein Virus gleich alle Kirchen rund um den Planeten (!) vollständig lahm. Und das ausgerechnet zum christlichen „Fest der Auferstehung“? Die Ignoranten und geistig Zubetonierten sagen: nun ja, Zufall.
Schön, so oder so! Vielleicht könnte man sich aber auch Gedanken machen, was angesichts der globalen Krise sowie der Tatsache der zugesperrten Kirchen „Auferstehung“ für uns Christen dann bedeuten könnte? In früheren Zeiten der globalen Katastrophen, wo man den Boden unter den Füssen zu verlieren droht, haben die Menschen die Kirchen aufgesucht. Denn das ist in Wahrheit die Stunde der Religion. Das wäre auch jetzt eine einzigartige Chance für die schwer angeschlagene Kirche, dasjenige auszupacken, was ihr konkurrenzloser „Joker“ ist: der Zugang zum real existierenden Himmel.
Doch ausgerechnet dort ist die „geistliche Pandemie“ voll ausgebrochen, wie man in einem bemerkenswerten Artikel erfahren kann:
Christ & Welt/Nr.15/2.April 2020/Erik Flügge:

AUA, SO PEINLICH WAR MIR MEINE KIRCHE NOCH NIE.

Zum ersten Mal seit Jahren sprechen mich meine kirchenfernen Freunde auf die Kirche an. Der Grund ist unsere allgemeine Corona-Quarantäne. Nicht, weil sie plötzlich Gott suchen, sondern weil sie all die Videos, die es neuerdings von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt, so endlos peinlich finden.
Jetzt gerade hat einer ein Video eines Pastoralteams in einer meiner WhatsApp-Gruppen gepostet. Schon wieder bekomme ich eine Direktnachricht mit einem YouTube-Link von einem Pfarrer vor der Kamera. Das passiert gerade jeden Tag. Immer begleitet von Tränen lachenden Smileys.
Aua, so peinlich war mir meine Kirche noch nie. Seit Jahren schreibe ich über die schräge Kommunikationskultur der Kirche fürs kirchliche Publikum. Ich bekomme dabei viel Zuspruch, aber es ändert sich nichts. Jetzt bekommen aber zum ersten Mal alle meine außerkirchlichen Freunde zu Gesicht, was die kirchliche Basis so treibt, und sind fassungslos.
Was schon für das geübte Kirchenmitglied kaum zu ertragen ist, wirkt noch viel krasser auf Leute, die das nicht kennen. Pastoralteams mit Gitarre vor der Kamera, drei Priester, die in Gewändern wie Abba zu dritt eine Prozession durch die Innenstadt machen, und Leute, die nicht predigen können, stellen weltöffentlich zur Verfügung, was schon bisher keiner hören wollte. Priester halten Handpuppen in die Kamera. Handpuppen! Aua, es tut weh!

In Zeiten der Corona-Krise wird vieles offenbar: Nein, die Leute rennen uns in der Krise nicht die Bude ein. Die allzu oft vorgetragene These, die Schwäche der Kirche wäre bedingt durch die Problemfreiheit unserer Gesellschaft, wurde falsifiziert. Die große Krise ist da und die Leute wenden sich der Kirche nicht in Scharen zu. Es gibt nicht mehr Bedarf an Kirche als sonst.
Ja, natürlich wird der Fernsehgottesdienst gerade mehr geschaut. Aber eben auch nicht mehr, als sonst Leute sonntags in die Messe gehen. Natürlich nimmt jemand Kontakt mit dem Pfarrer auf. Aber es sind nicht mehr Kontakte als sonst im Laufe der Woche.
Weil man auch jetzt so wenig gefragt ist wie eh und je, aber all die Selbstbeschäftigungen in Gremien entfallen, drängt die ganze kirchliche Welt mittels Videostreaming ins Internet. Dort prallt sie auf eine Wirklichkeit, die von ihr weiter nicht entfernt sein könnte. Nämlich Millionen von Menschen, die längst gute Video-Standards gewohnt sind. Menschen, die wissen, was man im Netz macht und was man lieber lässt.
Live müssen sie gerade die ersten Gehversuche einer Kirche im Internet beobachten. Sie sehen, hören, begreifen, dass die kirchliche Basis in den Gemeinden all die vielen Jahre nicht miterlebt hat, in denen sich die ganze restliche Welt der Kommunikation längst verändert hat.